18. Landeshuter Kreisheimattreffen vom 13. bis 15. Juni 1970
Große Aufregung herrschte in der Patenstadt Wolfenbüttel, als eine Woche vor Beginn des Landeshuter Kreisheimattreffens der Festsaal von „Antoinettenruhe“, das langjährige Versammlungslokal der Landeshuter, einem Feuer zum Opfer fiel. Kurzfristig musste dann umdisponiert und improvisiert werden. Trotzdem gelang es den Veranstaltern, ein besonders gelungenes und harmonisches Heimattreffen zu organisieren.
Die Patenstadt der Landeshuter hatte ein Festkleid angelegt. Die Fahnen mit den Stadtfarben Wolfenbüttels und Landeshuts, die schlesischen und niedersächsischen Farben und die der Bundesrepublik wehten am Rathaus und an hohen Masten an verschiedenen Stellen der Stadt. Der ständige Blumenschmuck auf dem Stadtmarkt, auf dem Holzmarkt, am Grünen Platz vor dem Herzogstor und am Landeshuter Platz stimmten in das herzliche „Willkommen“ ein, das die Patenstadt ihren rund 3000 Patenkindern entbot.
Die meisten Veranstaltungen fanden in der „Carl-Gotthard-Langhans-Schule“, der örtlichen Kreisberufsschule, statt. Am Sonnabendnachmittag begann das Heimattreffen mit der Arbeitstagung der Ortsvertrauens-männer. Edelhard Rock, der Vorsitzende des Arbeitskreises Landeshut, gab einen kurzen Bericht über die geleistete Heimatarbeit und führte dabei aus: „Die Reihen unserer Heimatfreunde lichten sich, unsere alten Landeshuter treten ab, eine neue Generation wächst heran, welche nicht mehr die Bindungen zur schlesischen Heimat hat, wie wir sie noch hatten…“ Zwei besondere Höhepunkte des Treffens nannte der Bundessprecher: Das 250-jährige Jubiläum der Gnadenkirche zu Landeshut und die Enthüllung zweier Gedenksteine auf dem Landeshuter Platz in Wolfenbüttel für den verstorbenen Kirchenrat Pastor Friedrich Forell und den Grüssauer Pater Nikolaus von Lutterotti.
Am festlichen Eröffnungsabend in der Aula der „Carl-Gotthard-Langhans-Schule“ konnte Edelhard Rock eine Reihe von Ehrengästen begrüßen, so den Kreisverwaltungsoberrat Hauser, der die Grüße des Landrates überbrachte, Probst Karl-Heinz Oelker und Kirchenrat Martin Brügmann, den Beauftragten für die kirchliche Vertriebenenarbeit in Bayern. Schließlich erklang Fritz Winklers Stimme und es war wieder ein Genuss ihm zuzuhören. Des Weiteren musizierte der Spielmannszug Wolfenbüttel und der Harzverein sang Harzer Heimatlieder und führte Harzer Volkstänze auf. Zum Schluss ließ Fritz Winkler seine Stimme mit dem Riesengebirgs-lied noch einmal ertönen und alle Anwesenden stimmten in den Refrain mit ein.
Am Sonntag fand der evangelische Festgottesdienst wieder in der St.-Trinitatis-Kirche statt. Kirchenrat Martin Brügmann führte durch den Gottesdienst und hielt die Predigt, in deren Mittelpunkt das 250-jährige Jubiläum der Landeshuter Gnadenkirche stand. Brügmann war seit 1934 einer der letzten evangelischen Pastoren in Landeshut. Die Predigt in dem parallel stattfindenden Gottesdienst in der katholischen Pfarrkirche St. Peter hielt Pater Dr. Ambrosius Rose, Bad Wimpfen, früher Grüssau.
Die abschließende Feierstunde auf dem Landeshuter Platz wurde von Edelhard Rock eröffnet. Er begrüßte den Bürgermeister der Patenstadt Wolfenbüttel, Ernst August Schütze, den Landrat des Kreises Wolfenbüttel, Helmut Bosse, als Vertreter des niedersächsischen Ministers für Vertriebene und Flüchtlinge Staatssekretär Dr. Heinz Morgenstern, einen gebürtigen Wolfenbütteler. Als Vertreter der beiden großen Kirchen waren Probst Karl-Heinz Oelker und Dechant Wilhelm Biewer erschienen. Pater Dr. Ambrosius Rose, früher Kloster Grüssau und Kirchenrat Martin Brügmann, früher Landeshut, vervollständigten die Liste der Ehrengäste. Nach den Grußworten ehrte Bürgermeister Schütze Helmut Lubig, der die Patenstadt Wolfenbüttel in Kürze verlassen wird.
Dann erklang das Lied vom guten Kameraden, der Patenkreis sowie Patenstadt Wolfenbüttel und der Arbeitskreis der Landeshuter legten drei Kränze am Ehrenmal nieder, zu dessen Seiten zwei Flammen zum Gedenken an die Toten der Vertreibung brannten. Schließlich erfolgte die Enthüllung der beiden Gedenktafeln, die dem in den USA verstorbenen Kirchenrat D. Friedrich Forell und dem einst zum Kloster Grüssau gehörenden Pater Nikolaus von Lutterotti gewidmet sind. Die Gedenksteine dieser beiden Männer, die Schlesien von ganzem Herzen liebten und sich den Schlesiern verbunden fühlten, sind jetzt vor dem Ehrenmal auf dem Landeshuter Platz zu finden.
19. Landeshuter Kreisheimattreffen vom 1. bis 3. Juni 1974
Das für 1972 geplante Landeshuter Kreisheimattreffen in Wolfenbüttel fiel aus, weil durch den Brand im Hotel „Antionettenruhe“ in der Stadt zunächst kein geeigneter Versammlungsraum zu finden war. Zum Landeshuter Heimattreffen in Wolfenbüttel fanden sich Pfingsten 1974 rund 3000 Landeshuter aus nah und fern ein. Einige hatten sogar einen Flug über den Atlantik aus den USA und aus Brasilien nicht gescheut, um ihre Verwandten, Freunde und Nachbarn wiederzusehen.
Der Pfingstsonnabend begann am Vormittag mit einem Deutschlandseminar in der Lindenhalle. Nach der Begrüßung durch den Sprecher der Heimatvertriebenen aus Stadt und Kreis Landeshut Edelhard Rock hielt Professor Dr. Peter Seibt von der Universität Bremen das erste Referat unter dem Thema „Deutschland nach den Grundlagenverträgen“. Die Thesen des Redners stießen allgemein auf großen Widerstand, da er ganz offenbar nicht bereit war, die siebenhundertjährige deutsche Geschichte Schlesiens und die großen Kulturleistungen der deutschen Bevölkerung in den Ostgebieten zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn zu würdigen. Umso erfreulicher war dann nach der Mittagspause der Vortrag von Pater Dr. Ambrosius Rose über „Grüssau und seine Bedeutung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“. Nicht weniger interessant war der Vortrag von Altbischof D. Ernst Hornig mit den Titel „Das Kriegsende in Schlesiens Hauptstadt Breslau“.
Die Lindenhalle war nahezu voll besetzt, als Edelhard Rock die Landeshuter beim großen Eröffnungsabend begrüßte. Das sehr gut geplante Programm des Abends hätte fast etwas kürzer gefasst werden können. Mitwirkende waren u. a. Fritz Winkler, „der singende Schmied“ aus Landeshut, Lisa Wandersleb aus Wolfenbüttel (Sopran) und der „Martin-Heckler-Chor“.
Die Straßen der Patenstadt Wolfenbüttel füllten sich am Pfingstsonntag mehr denn je mit Frauen, Männern und Kindern, die die gelbe Plakette mit der Aufschrift „19. Landeshuter Heimattreffen – Wolfenbüttel Pfingsten 1974 – 50 Jahre Abtei Grüssau“ trugen. So waren die Gottesdienste dann überaus gut besucht. Im Mittelpunkt des evangelischen Festgottesdienstes in der barocken St.-Trinitatis-Kirche stand die Predigt von Altbischof D. Ernst Hornig, dem fast achtzigjährigen Seelsorger, der aus Süddeutschland herbeigereist war, um seinen evangelischen Landsleuten von der Kanzel zuzurufen, sie hätten ein kostbares Gut aus der Heimat mit in die Fremde genommen, den evangelischen Glauben nach der Auslegung Martin Luthers.
Er erinnerte an die Opfer, die die schlesischen Vorfahren für ihren Glauben auf sich genommen hatten. Wörtlich bekannte Altbischof Hornig: „Vielleicht tragen wir Schlesier mit den vertriebenen Pommern und Ostpreußen ein Stück von der Schuld ab, die unser Volk im ‚Dritten Reich‘ auf sich geladen hat.“
Die Gottesdienste in den beiden katholischen Kirchen unserer Patenstadt waren ganz auf das 50jährige Bestehen der Abtei Grüssau in Schlesien ausgerichtet. Das feierliche Hochamt in der St.-Petrus-Kirche hielt der apostolische Protonotar Josef Schönauer im festlichen Ornat mit Assistenz von P. DR. Ambrosius Rose und Dechant Wojtysiak. Die Predigt hielt P. Dr. Rose, der in Heimatverbundenheit zu Grüssau das Jubiläum der Abtei als Auftrag sah, in unserer Zeit im Geiste des Pfingstfestes zu wirken. Das Grüssauer Wallfahrtslied beschloss den Gottesdienst in St. Petrus.
In der neuen Kirche St. Ansgar hielt Domkapitular Josef Schreiber aus Hildesheim den Festgottesdienst und die Predigt. Ihm assistierte Pastor Wersch. Domkapitular Schreiber überbrachte die Grüße des Hildesheimer Bischofs Heinrich Maria Janssen. In seiner Predigt schloss er das Gedenken an die heiligen Wallfahrtsstätten unserer schlesischen Heimat ein.
Nach den Gottesdiensten versammelten sich die Landeshuter aus Stadt und Kreis und viele Bürger der Patenstadt auf dem Landeshuter Platz zu ihrer großen Kundgebung. Der stellvertretende Bürgermeister Wolfenbüttels, Gerhard Weigert, überbrachte die Grüße der Patenstadt und ließ mit seinen Worten noch einmal die Bilder jener Tage lebendig werden, als die Vertriebenen mut- und ziellos umherirrten, als sie schließlich wieder zu arbeiten anfingen, sich eine Bleibe schufen und wie die Stadt und der Kreis Wolfenbüttel dann die Patenschaft über die Landeshuter übernahmen. Mit Recht erklärte Weigert, dass die vertriebenen Schlesier Menschen mit härtesten Lebenserfahrungen seien, die sich in Westdeutschland nicht isoliert hätten, sondern mit Tatkraft und Energie zupackten, sich darüber hinaus politisch engagierten und für Freiheit und Menschenwürde einsetzten. Der Landrat des Kreises Wolfenbüttel Hellmut Bosse betonte in seiner Ansprache, dass die Heimatvertriebenen einen erheblichen Anteil am Wiederaufbau der Wirtschaft Westdeutschlands gehabt hätten.
Als Intendant Eberhard Gieseler das Wort zum Totengedenken ergriff, erscholl das vom Tonband übertragene Geläut der Glocken von Grüssau über die schweigende Menge. Und es war nicht zu übersehen, dass viele der Männer und Frauen Tränen in den Augen hatten. Die Wunden um die verlassenen Gräber daheim, um die Opfer des Krieges und der Vertreibung sind wohl vernarbt, aber sie brechen immer wieder einmal auf und schmerzen aufs Neue.
In seinem Dankeswort betonte Edelhard Rock die Treue der Landeshuter zu ihrer schlesischen Heimat sowie zu ihrer Patenstadt und dem Patenkreis Wolfenbüttel. Die Feierstunde endete mit der dritten Strophe des Deutschlandliedes, der Nationalhymne.
Der am Nachmittag in der fast bis auf den letzten Platz besetzten Lindenhalle sich anschließende Heimatnachmittag bildete den fröhlichen Ausklang des Landeshuter Heimattreffens. Intendant Eberhard Gieseler führte durch eine bunte Unterhaltungsschau mit vielen Mitwirkenden wie der Großen Tiroler Trachten-Kapelle aus Anras, Fritz und Hanne Winkler und Else Rose (Zither und Gitarre). Die Kapelle Zam Jürgens aus Wolfenbüttel spielte zum Tanz auf.
Am Pfingstmontag, als schon viele Heimatfreunde wieder abgereist waren, fand von Wolfenbüttel aus eine Busfahrt entlang der Zonengrenze statt. Bei regnerischem Wetter bekamen die Teilnehmer dann von einem Beamten des Zollkommissariats Hornburg eine ausführliche Erklärung über den Grenzverlauf und die Sicherheitsvorkehrungen beiderseits der Grenze. Eine Filmvorführung im Haus Hagenberg bei Hornburg veranschaulichte den Landeshutern den Grenzverlauf Niedersachsens zur DDR. Der Film erinnerte an die alte Reichsstraße, die einmal über die Elbe von Celle nach Ludwigslust in Mecklenburg führte. Die Teilnehmer sahen dann u. a. auch Helmstedt mit seinem Autobahnkontrollpunkt. Schließlich fuhr man über Schladen nach Bad Harzburg zum Eckertal und von dort zurück nach Wolfenbüttel.
Zur gleichen Zeit trafen im Gemeindezentrum St. Ansgar der Beauftragte für Vertriebenen- und Flüchtlingsseelsorge der Fuldaer Bischofskonferenz, der Bischof von Hildesheim Heinrich Maria Janssen, mit dem Altbischof der evangelischen Kirche Schlesiens, Dr. theol. Ernst Hornig, mit Pater Dr. Ambrosius Rose OSB und dem Apostolischen Protonotar Josef Schönauer zu einer Begegnung schlesischer Seelsorger zusammen.
Altbischof Hornig hielt am Nachmittag in der St. Trinitatis-Kirche einen Vortrag über das Thema „Die Schlesische Kirche im Kirchenkampf“. An dieser Zusammenkunft nahm auch der Landesbischof der evangelischen Landeskirche in Braunschweig, Dr. Gerhard Heintze, teil. Beide Bischöfe trafen sich anschließend zu einem fruchtbaren Meinungsaustausch. Währenddessen versammelten sich die katholischen Gläubigen der Pfarrei Grüssau und der benachbarten Gemeinden des Ziedertals zu einem gemeinsamen Treffen im Club-Raum der Lindenhalle unter der Leitung von Pater Dr. Ambrosius Rose.
20. Landeshuter Kreisheimattreffen vom 28. bis 30. August 1976
Das diesjährige Landeshuter Heimattreffen stand ganz im Zeichen des 25jährigen Bestehens der Patenschaft von Stadt und Kreis Wolfenbüttel. Die über alle Erwartungen hinausgehende Beteiligung machte mehr als deutlich, dass auch dreißig Jahre nach der Vertreibung die gemeinsamen Treffen nicht überflüssig geworden sind. Mehrere tausend Teilnehmer kamen an diesem Wochenende in Wolfenbüttel zusammen, um Verwandte, Freunde, Schulkameraden und Nachbarn von früher wiederzusehen und Erinnerungen an die einstige Heimat auszutauschen. In der Lindenhalle, der offiziellen Tagungsstätte, begann das Heimattreffen am Sonnabendvormittag mit dem Deutschland-Seminar, an dem etwa 50 Besucher teilnahmen. Als Referenten konnten der Politikwissenschaftler Prof. Dr. phil. Joachim Wiesner (*1934 in Landeshut) und Landgerichtspräsident a. D. Günther Ries, von 1932 bis 1942 Landeshuter Bürgermeister, gewonnen werden.
Wiesner referierte über das Thema „Vertreibung – Versöhnung – Zuversicht“. Er betonte, dass eine Vertreibung aus der Perspektive einer moralischen Politik her undenkbar sei, dass aber der Völkerhass eine solche Vertreibung schließlich zuwege gebracht habe. Einleuchtend war seine Darlegung, dass der Krieg als ein außerordentliches Ereignis auch außer-ordentliche Verbrechen zur Folge habe. In den Gesprächen im Anschluss an das Seminar wurde dann ausführlich diskutiert, ob die Integration der Vertriebenen, wie es Prof. Wiesner behauptet hatte, wirklich schon vollzogen sei, was viele der Anwesenden energisch bestritten.
Der ehemalige Landeshuter Bürgermeister Günther Ries referierte schließlich über das Thema „Schlesisches Kulturgut – ein verpflichtendes Erbe“. Ries versuchte, dieses sehr umfangreiche Thema so gut als möglich zusammenzudrängen. Er erinnerte an die Klostergründungen Leubus, Heinrichau und Grüssau, die zu Keimzellen der sich über das Ostland ausbreitenden deutschen Kultur wurden. Er streifte das Zeitalter des Humanismus und der Reformation, erwähnte Martin Opitz und seine „Erste schlesische Dichterschule“, nannte Namen wie den Barockdichter Andreas Gryphius, den Barockmaler Michael Willmann und den Baumeister Martin Frantz und schlug eine Brücke bis zur „preußischen Epoche“ mit dem in Landeshut geborenen Baumeister Carl Gotthard Langhans und dem Maler Adolph von Menzel. Schließlich schloss Ries mit dem gebürtig aus Liebau stammenden Schauspieler und Regisseur Wolfgang Liebeneiner, dem Liebauer Maler Otto Mueller und dem Künstler Friedrich Iwan den Kreis bis in die unmittelbare Gegenwart.
Das dritte Referat „Ostdeutsche Presse in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ hielt der Bundessprecher der Landeshuter und Zeitungsverleger Edelhard Rock. Als größte schlesische Tageszeitung existierten seit den Tagen Friedrichs des Großen die „Breslauer Neuesten Nachrichten“ mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren. Eine Vielzahl von Tages- und Wochenblättern bestand auch in Schlesien, bevor mit der nationalsozialistischen „Gleichschaltung der Presse“ 1933 ein großes Zeitungssterben begann. Nach Krieg und Vertreibung fanden sich die Verleger der Ostdeutschen Presse in einer völlig neuen Situation wieder. Doch schon bald nach 1945 erschienen überall im Lande die ersten Exemplare der schlesischen Heimatpresse. Derzeit gehören der „Arbeitsgemeinschaft der Herausgeber und Verleger Schlesischer Heimatzeitungen“ mit Sitz in Wolfenbüttel 52 Verleger an. Die Heimatblätter haben sich zur Aufgabe gesetzt, den Zusammenhalt unter den Vertriebenen lebendig zu halten und die Erinnerung an die Heimat im Osten zu bewahren.
Am Nachmittag versammelte sich die katholische Pfarrgemeinde St. Petrus und Paulus mit den Gemeindeangehörigen der Filialgemeinden Schreibendorf, Wernersdorf, Reichhennersdorf und Reußendorf unter der Leitung von Stadtpfarrer Bernhard Görlich im Saal des Kaffeehauses zu einem Pfarrgemeindetreffen.
In der Vorhalle der Lindenhalle, der Tagungsstätte des Landeshuter Heimattreffens, fand eine viel beachtete Ausstellung mit Werken aus dem Nachlass des beliebten Malers und Radierers Friedrich Iwan statt. Die Leitung lag in den Händen der Schwiegertochter des Künstlers, Frau Hildegard Iwan, Waldmichelbach.
Gegen Abend füllte sich der Festsaal der Lindenhalle bis auf den letzten Platz. Im Mittelpunkt des Festabends standen die Auszeichnungen aus Anlass des 25jährigen Bestehens der Patenschaften des Kreises und der Stadt Wolfenbüttel für den Kreis Landeshut.
Für Verdienste um die Patenschaft überreichte Edelhard Rock im Namen des Arbeitskreises der Heimatvertriebenen aus Stadt und Kreis Landeshut die von dem schlesischen Bildhauer Siegert aus Hirschberg geschaffene „Gerhart-Hauptmann-Medaille“ an
- den Kreistag und die Kreisverwaltung des Kreises Wolfenbüttel
- den Rat und die Verwaltung der Stadt Wolfenbüttel
Für die 25jährige Betreuung des „Landrat-Dr.-Fiebrantz-Hilfswerkes“ und ihre besonderen Verdienste um dieses Hilfswerk:
- Frau Martha Rauhut, Braunschweig
- Herrn Helmut Lubig, Oberaudorf
- Herrn Erwin Demuth, Wolfenbüttel
Für eine stets ermunternde Unterstützung der Patenschaftsarbeit den Redakteuren
- Bernhard Praclick, Wolfenbüttel
- Johannes Reuter, Wolfenbüttel
Für viele Hilfen auf dem Gebiet der Seelsorge an den Heimatvertriebenen
- Propst Karl-Heinz Oelker in Wolfenbüttel
- P. Dr. Ambrosius Rose OSB., Kloster Kellenried
- Pfarrer Bernhard Görlich, Heilbronn, Stadtpfarrer von Landeshut
- Pfarrer Edmund Plehn, Cappeln, Pfarrer von Liebau
- Pfarrer Johannes Bischof, Passau, Pfarrer von Schömberg
Für die Betreuung der Ferienlager unserer Kinder aus dem Kreise Landeshut, in den vielen Jahren dieser vom Landkreis Wolfenbüttel durchgeführten Aktionen
- Fritz und Hanne Winkler aus Landeshut
Für Heimatarbeit und Heimatgruppenarbeit
- Landgerichtspräsident a. D. Günther Ries, Hannover, ehem. Bürgermeister der Stadt Landeshut
- Bergingenieur Franz Hrabowsky, Bottrop
- Dr. Johannes Klippel, Selb
- Alfons Knittel, Himmelsthür
- Heinz Kulke, Wolfenbüttel
- Alfred Hartmann, Essen
- Alfred Erbe, Delmenhorst
- Josef Zdarsky, Wolfenbüttel
- Alois Meyer, Recklinghausen
- Felix Jäckel, Semmenstedt
- Richard Radetzki, Wolfenbüttel
Am Sonntagmorgen fanden die Festgottesdienste beider Konfessionen statt, die jeweils gut besucht waren. Der Festgottesdienst für die katholische Gemeinde fand in der St.-Petrus-Kirche statt. Den Gottesdienst und die Festpredigt hielt der frühere Pfarrer von St. Petrus und Paulus in Landeshut, Pfarrer Bernhard Görlich, jetzt Heilbronn. Seine Konzelebranten waren Pfarrer Edmund Plehn, früher Liebau und Pfarrer Johannes Bischof, früher Schömberg. Pfarrer Görlich erinnerte die Kirchenbesucher in seiner Predigt an die Gemeinsamkeit im Glauben, die alle Anwesenden verbinde und die auch in der Zerstreuung erhalten geblieben sei.
In der St.-Trinitatis-Kirche, wo der evangelische Gottesdienst stattfand, hielt der Domprediger i. R., Oberlandeskirchenrat Dr. Adolf Quast, der jetzt in Celle lebt, die Festpredigt. Grußworte für den Kirchenkreis Landeshut sprach der frühere Bürgermeister von Landeshut Günther Ries und gedachte dabei der bewährten Seelsorger der evangelischen Gnadenkirchengemeinde zu Landeshut und vergaß auch die Seelsorger von Liebau und Schömberg nicht.
Höhepunkt des diesjährigen Landeshuter Treffens war die große Heimatkundgebung auf dem Landeshuter Platz aus Anlass des 25jährigen Bestehens der Patenschaften des Landkreises und der Stadt Wolfenbüttel. Die Kundgebung begann mit der Ehrung der Toten unter dem Geläut der Glocken von Landeshut und Liebau und den Klängen des Liedes vom „Guten Kameraden“, gespielt vom MTV-Blasorchester Wolfenbüttel. Der Arbeitskreis Landeshut, der Landkreis und die Stadt Wolfenbüttel legten am Mahn- und Ehrenmal Kränze nieder. Danach dankte Edelhard Rock der Stadt und dem Landkreis Wolfenbüttel für die Übernahme der Patenschaft vor 25 Jahren und vor allem für die Erfüllung der patenschaftlichen Verpflichtungen für die im ganzen Bundesgebiet verstreuten Landeshuter. Dann überreichte Rock dem Ersten stellvertretenden Landrat Werner Otte und Wolfenbüttels Bürgermeister Heinz-Dieter Eßmann die für Kreistag und Rat bestimmten Gerhart-Hauptmann-Medaillen.
Mit einem unmissverständlichen Bekenntnis zu den paten-schaftlichen Verpflichtungen des Landes Niedersachsen für die Provinz Schlesien leitete der niedersächsische Minister für Bundesangelegenheiten Wilfried Hasselmann seine von oft starkem Beifall unterbrochene Ansprache ein. „Es ist unsere Pflicht, die Idee des ungeteilten Deutschlands in unseren Herzen zu bewahren…“, rief Hasselmann aus und forderte die Wiedereinführung einer bewussten Ostkunde im schulischen Geschichtsunterricht. Die Zonengrenze, so führte der Minister weiter aus, dürfe nicht zu einem touristischen Reiseziel verkommen. Die Gefängnismauer für 17 Millionen Menschen in der DDR – 550 Kilometer entlang der niedersächsischen Grenze – sei eine ständige Mahnung.
Der schlesische Heimatnachmittag in der Lindenhalle bot vielfach Gelegenheit zu anregenden Gesprächen. Man hatte sich oft lange nicht gesehen. Für Unterhaltung sorgte der Jugendspielmannszug der Schützenbrüderschaft aus Hornburg und später spielte die Kapelle „Zam Jürges“ zum Tanz auf. Dann fand die Proklamation des Schützenkönigs statt. Denn tags zuvor hatte im Keller der Lindenhalle ein gut besuchtes „Großes Königs- und Preisschießen“, veranstaltet vom „Vereinigten Bürger-Schützencorps Landeshut“, stattgefunden. Schützenkönig wurde der in Schömberg geborene Otto Langner aus Wittmar.
Zum Abschluss des Landeshuter Heimattreffens fand am Montag eine Informationsfahrt zu den Grenzübersichtspunkten des Kreises Wolfenbüttel statt, an der etwa 90 Heimatfreunde teilnahmen. Nach dem Besuch des malerischen Ortes Hornburg bildete eine Besichtigung der Eckertalsperre und von Bad Harzburg den Ausklang des diesjährigen Heimattreffens.
21. Landeshuter Kreisheimattreffen vom 11. bis 14. August 1978
Die Patenstadt Wolfenbüttel hatte zum Empfang ihrer Landeshuter Patenkinder aus dem ganzen Land ein festliches Gewand angelegt. Rund 2000 ehemalige Bürger aus Stadt und Kreis Landeshut kamen bei strahlendem Wetter in die Lessingstadt, um sich mit Freunden, Schulkameraden, Nachbarn und Bekannten zu treffen, Erinnerungen auszutauschen und ein Treuebekenntnis für die schlesische Heimat abzulegen.
Das Kreisheimattreffen wurde am Freitag feierlich in der Augusteerhalle der Herzog-August-Bibliothek zu Wolfenbüttel eröffnet. Nach der Begrüßung durch Edelhard Rock, den Sprecher der Landeshuter, wurde das Vivace (ma non troppo) aus Max Regers op. 94 in der Bearbeitung für Klavier, Flöte und Streicher von Karl Renner, dem früheren Kantor der Gnadenkirche (1927 – 1933) gespielt. Ausführende waren: Irina und Franz Josef Goldstein (Violinen), Gerhard Klammroth (Viola), Georg Bleyer (Violoncello), Ursula Becker (Flöte) und Martin Seebass (Flügel). Danach gab Claus Harms, der ehemalige Schauspiel-Dramaturg der Städtischen Bühnen Breslau, jetzt Hannover, eine Einführung in Lessings Werk „Nathan der Weise“ und las daraus die Ringparabel. Der frühere Landeshuter Bürgermeister Günther Ries trug schließlich eine eigene kleine Erzählung vor: „Gotthold Ephraim Lessing und Carl Gotthard Langhans im Dienste Schlesiens“. Darin kam es zu einer nie wirklich zustande gekommenen Begegnung der beiden großen Deutschen.
Besonders beeindruckten die Zuhörer die Ausführungen von Claus Harms über seine wenigen Jahre als Dramaturg im unzerstörten Breslau. Er streifte das reiche kulturelle Leben der Stadt vor dem Kriege und berichtete auch von der jetzt veränderten Stadt, wie er sie vor drei Jahren vorgefunden hatte. Den Abschluss der Veranstaltung bildeten zwei heitere Lieder in der Vertonung des aus Liebau stammenden Norbert Hampel nach Gedichten des unvergessenen schlesischen Dichters Friedrich Bischoff, die von einem Vokalquartett dargeboten wurden.
Der Sonnabend begann mit der Möglichkeit einer Stadtführung, die die wesentlichen Orte der Stadt, wie die Bibliothek und das Schloss, näher brachte. Ansonsten traf man sich zunächst im Kaffeehaus neben dem Lessing-Theater und am Nachmittag in der großen Lindenhalle zur persönlichen Begegnung oder zu Treffen in den verschiedenen Sondergruppen, zu Klassentreffen oder zum Königs- und Preisschießen des „Vereinigten Bürger-Schützencorps Landeshut“. Am Abend fand dann in der vollbesetzten Lindenhalle der große Festabend mit vielerlei Darbietungen statt.
Der Sonntagvormittag war wiederum den beiden Gottesdiensten vorbehalten. Der katholische Festgottesdienst fand in der überfüllten St. Petruskirche statt. „Liebster Jesu, wir sind hier“ erklang es mit kräftigen Stimmen gesungen zum Beginn der Messe. Danach las Pater Walter Jüptner, früher Schömberg, das Evangelium, das von der Begebenheit, wie Jesus den Sturm stillt, handelte. Die Predigt hielt der aus Liebau stammende Lagerpfarrer von Friedland, Pfarrer Peter Görlich. Er erinnerte an den verstorbenen Papst Paul VI. und führte in seiner Predigt aus, dass mancher glaube, jetzt schwanke der Boden. „Aber er braucht nicht zu schwanken“, rief der Pfarrer den Kirchgängern zu, „es liegt lediglich an unserem zu geringen Glauben“. Auch nach der Vertreibung habe mancher von uns geglaubt zu spüren, wie der Boden schwanke. Aber wie Jesus seinen Jüngern zurief: „Habt Vertrauen – ich bin’s“, so gilt dieses Wort auch für die Menschen der Gegenwart: Vertrauen haben und beten: „Herr, bleibe bei mir!“.
Der Propst von Wolfenbüttel Karl-Heinz Oelker, hatte als Pfarrer von St. Trinitatis seine Kirche wieder für den Festgottesdienst des Evangelischen Kirchenkreises Landeshut zur Verfügung gestellt. Der in Landeshut geborene und jetzt als Kreispfarrer in Oldenburg tätige Pastor Wolf-Albrecht Muther hatte für seine Landeshuter, die eng mit seinem Vater verbunden waren, den Festgottesdienst und die Festpredigt übernommen. Für den Gottesdienst lag wie in früheren Jahren ein gedrucktes Gedenkblatt vor, das diesmal die Evangelische Kirche von Konradswaldau zeigte und dem Gedenken des verstorbenen Pastors Heino Muther gewidmet war.
Nach den Gottesdiensten versammelten sich die Landeshuter zu der großen Kundgebung auf dem Landeshuter Platz. „Die Reihen sind gelichtet“, stellte Edelhard Rock, der Vorsitzende des Arbeitskreises Landeshut in seiner Grußansprache fest. „Die Älteren sind weggestorben. Die aber, die noch unmittelbare Berührung mit der Heimat hatten, sind gekommen. Wo aber bleibt die nachwachsende Generation, die einmal die Erinnerungen, die Traditionen, die Verbindungen weitertragen und weitergeben muss?“, fragte Rock angesichts des unübersehbaren Fehlens der Jugend bei diesem Treffen.
Den offiziellen Vertretern von Patenstadt und Patenkreis dankte Rock unter dem Beifall der Kundgebungsteilnehmer herzlich für das, was in den vergangenen Jahrzehnten für Landeshut und die Landeshuter getan worden sei, um die Patenschaft mit Leben zu erfüllen. Der Erste stellvertretende Landrat des Kreises Wolfenbüttel, Werner Otte, legte in seiner Ansprache kritisch und nüchtern dar, was in den Jahren der bestehenden Patenschaft von dem gemeinsamen Anliegen, für die Wiedervereinigung des gespaltenen Vaterlandes einzutreten, erreicht worden sei. Die Tragik der deutschen Nachkriegsgeschichte liege darin, dass, je größer der Wohlstand, je ausgeprägter die Freiheit im Westen sich entwickelte, der trennende Graben zwischen Ost und West immer tiefer wurde. Diese Trennung zu überwinden sei und bleibe die große Aufgabe aller Deutschen, wie sie das Grundgesetz vorschreibe. Keinen Zweifel ließ der Sprecher daran, dass es viel Zeit, Beharrlichkeit, Geschick und Geduld erfordern werde, dieses Ziel zu erreichen. Um einen kleinen Beitrag zur Überwindung dieser Trennung zu leisten, wollten Stadt und Kreis Wolfenbüttel für die Landeshuter eine Heimatstube im Wolfenbütteler Schloss einrichten. Damit ging ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung. Diese Zusage hatten Landkreis und Stadt in die Form einer von ihren Repräsentanten unterzeichneten Urkunde gegossen, die Werner Otte, nachdem er sie verlesen hatte, unter dem dankbaren Beifall der Landeshuter ihrem Sprecher Edelhard Rock aushändigte.
Die Totenehrung wurde wieder in eindrucksvoller Weise durchgeführt. Die Kapelle „Zam Jürges“ spielte das „Lied vom guten Kameraden“. Am Mahnmal unter den hohen, alten Bäumen des Landeshuter Platzes wurden von Vertretern des Kreises und der Stadt Wolfenbüttel, des Bundes der Vertriebenen und der Landeshuter Kränze zum ehrenden Gedächtnis der Toten niedergelegt. Der einstige Landeshuter Bürgermeister Günther Ries legte danach ein Bekenntnis zur Heimat und zum Vaterland ab und zitierte Ernst Moritz Arndt mit einer Zeile aus seinem Liede: „Was ist des Deutschen Vaterland“, indem er der versammelten Menge zurief: „Das ganze Deutschland soll es sein!“. Mit der dritten Strophe des Deutschlandliedes klang diese eindrucksvolle Feier, klang das Treuebekenntnis der Landeshuter, zu denen sich auch viele Wolfenbütteler gesellt hatten, aus.
Am Montag nach dem Kreisheimattreffen bot sich für die noch verbliebenen Landeshuter die Möglichkeit, an einer Informationsfahrt zu den Zonengrenz-Übersichtspunkten des Kreises Wolfenbüttel und in den Harz teilzunehmen. Davon machten rund einhundert Teilnehmer Gebrauch. Die Busreise führte zunächst nach Schöppenstedt, wo das Eulenspiegel-Museum besichtigt wurde. Im Anschluss daran ging es nach Mattierzoll, unmittelbar an der Grenze gelegen, wo die unvorstellbar befestigte Grenze regelrecht „erlebbar“ wurde. Das nächste Ziel war Hornburg. Das malerische Städtchen wurde besichtigt und besonderes Interesse fand die katholische St. Clemens-Kirche, welche die Landeshuter mit Geläut begrüßte. Im Haus Hagenberg in Hornburg wurde Mittagspause gehalten. Hier hieß der Bürgermeister der kleinen Stadt die Landeshuter willkommen. Ein Höhepunkt war zweifellos der Besuch des Hornburger Heimatmuseums, der unter sachkundiger Führung einen Einblick in die Geschichte der Stadt vermittelte. Den Abschluss dieser Fahrt bildete der Besuch des Kreuzes des Deutschen Ostens. Dort erwartete der BdV-Vorsitzende von Bad Harzburg die Reisegesellschaft und erklärte den Besuchern, von denen viele dieses zwanzig Meter hohe Mahnmal zum ersten Mal sahen, dessen Erbauungsgeschichte. Er brandmarkte diese unnatürliche Grenze im Herzen Deutschlands und rief dazu auf, die Menschen jenseits der Zonengrenze nicht zu vergessen. Seit 1974 finden am „Kreuz des Deutschen Ostens“ alljährlich am 17. Juni, dem „Tag der Deutschen Einheit“, Großkundgebungen statt. Edelhard Rock dankte im Namen der Landeshuter für die aufschlussreichen Erklärungen und rief zum Schluss seinen Schicksalsgefährten aus der schlesischen Heimat zu, Schlesien die Treue zu halten.